Beschreibung des Verfahrens
Die Phytotherapie oder Pflanzenheilkunde war und ist seit den medizinischen Anfängen ein wesentlicher Bestandteil in der Therapie des kranken Menschen. Ursprünglich wurden die Heilpflanzen keineswegs nach den klinischen Krankheitsbedeutungen (Diagnosen) eingesetzt, sondern nach den „Kautelen“ (Bedingungen) und Qualitätsregeln der traditionellen Heilkunde. Diese fussen auf den theoretischen Grundlagen der Naturheilkunde, die ihren Ursprung in der Lehre von den Elementen und Körpersäften hat. Die vier Säfte liegen in bestimmten Mischungen im Organismus vor. Dadurch erhält jeder Mensch in seiner physischen und psychischen Ausprägung ein individuelles Mischungsverhältnis, sein Temperament, das ihn zum Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker oder Melancholiker macht. Daraus entstand eine noch heute verständliche Charakter- und Krankheitslehre. In dieser Hinsicht wurden Krankheiten nach den jeweiligen Veränderungen der Säftezusammensetzung und deren Qualitäten beschrieben; man unterschied trockene, hitzige, feuchte und kalte Krankheitsbilder der jeweiligen Organsysteme. Aufgrund dieser veränderten Säftemischung wurden Pflanzen ausgewählt, die in der Lage waren, diesen krankhaften Zustand zu regulieren. So wurden beispielsweise bei hitzigen, d.h. entzündlichen Erkrankungen, kühlende Pflanzendrogen verabreicht. So ist bis in unsere Zeit ein Grossmutter-Rezept überliefert worden: Kamillentee als kühlende Droge bei akuten (= hitzigen) Magenverstimmungen.
In der modernen Pflanzenheilkunde weiss man sehr viel mehr über die einzelnen Inhaltsstoffe der Drogen und ihre Wirkungen. Dennoch ist es wichtig, die alten Erkenntnisse zu bewahren, um die Pflanzenheilkunde nicht ungerechtfertigt auf das wissenschaftliche Mass zu reduzieren. In der modernen Phytotherapie werden die Pflanzen nach ihren Inhaltstoffen eingesetzt. In der Antike hat man die Pflanzen in Qualitäten (warm, kalt, feucht und trocken) eingeteilt und bei entsprechendem Krankheitsbild, welches auch qualitativ eingeteilt wurde, ausgleichend eingesetzt.
Anwendungsgebiete
Viele funktionelle Erkrankungen lassen sich fast ausschliesslich mit der Pflanzenheilkunde therapieren, bei schwerwiegenderen und auch degenerativen Leiden dient sie als unterstützende Behandlungsmethode.
Die vorgenannten Anwendungsgebiete stellen kein Heilversprechen oder die Garantie einer Linderung oder Verbesserung aufgeführter Krankheitszustände oder Leiden dar.
Kombinationsmöglichkeiten
Die Pflanzenheilkunde lässt sich grundsätzlich mit allen naturheilkundlichen Methoden kombinieren.
Geschichte
Die Heilkunde mit Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen ist in allen Kulturen der Welt bekannt und jede Kultur hat ihre eigene Systematik. Die ältesten historischen Aufzeichnungen über Heilpflanzen sind 6000 Jahre alt und in Keilschrift erhalten. Sie wurden auf Tontafeln am Persischen Golf gefunden.
Die Pflanzentherapie basiert auf dem Wissen der traditionellen Naturheilkunde. Traditionell bezeichnet den theoretischen Hintergrund der Heilkunde, der in der europäischen Medizin von der griechischen Antike bis ins 19. Jahrhundert Gültigkeit hatte. Hippokrates (460-370 v. Chr.) und Galen von Pergamon (129-199 n. Chr.) setzten in ihrer Therapie vorwiegend Mittel aus der Pflanzenwelt ein. Im Mittelalter stand die Pflanzenheilkunde in einer Blütezeit; besonders bekannt sind die Ausführungen der Äbtissin Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert. Aus der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert haben sich folgende Pflanzenkenner einen Namen gemacht: Cube (1485), Leonhard Fuchs (1543), Hieronymus Bock (1577), Adamus Lonicerus (1679), Besler (1713) und Jacobus Theodorus Tabernaemontanus (1731) mit seinem Werk, das über 3000 Pflanzen beschreibt.
Im 20. Jahrhundert sind als fundamentale Kenner der Phytotherapie besonders bekannt geworden: Johann Künzle, Sebastian Kneipp, S. Flamm, Ludwig Kroeber, Hans Seel, Dr. R. F. Weiss, Josef Karl, Richard Willfort, Gerhard Madaus, Wilhelm Pelikan.